Stahl- und Metallbau IHNEN

„Stahlbau ist unsere Aufgabe, Qualität ist unsere Leidenschaft.“

Interview mit Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D.

Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D., Bereichsleiter Außenhandel am ifo Institut für Wirtschaftsforschung e. V. an der Universität München, über die Aussichten für den deutschen Export.

STAHLBAU.de: Herr Professor, die deutschen Exporte haben im vergangenen Jahr beim Umsatz erstmals die Grenze von einer Billion Euro überschritten. Was macht die deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb nach wie vor so stark?
Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D.: Die deutschen Unternehmen profitieren von einer Reihe von Faktoren. Erstens: in vielen Nischen sind deutsche Firmen weltweit Marktführer. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, höhere Preise durchzusetzen als Mitbewerber. Zweitens: Diese Marktführer stellen in der Regel keine standardisierten Massengüter her, sondern bieten individuelle Lösungen an. Auch das schützt vor Wettbewerb. Drittens: viele deutsche Exporteure stellen Güter her, die besonders stark von Wachstum profitieren. Das sind vor allem Maschinen und hochwertige Fahrzeuge. Die genannten Punkte sind langfristiger bzw. struktureller Natur. Dazu gesellt sich der Tatbestand einer günstigen preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Diese ist einerseits auf langjährige Lohnzurückhaltung zurückzuführen. Andererseits hat der Euro seit seinem Höchststand Mitte 2008 etwa 20 Prozent seines Wertes verloren. Das macht deutsche Güter im Ausland wettbewerbsfähiger.

Rund 40 Prozent der deutschen Exporte entfielen auf Ausfuhren in Euro-Länder, der Umsatz stieg dabei um über 8 Prozent. Aber viele befürchten, angesichts der Schuldenkrise seien das nur Käufe auf Pump, für die am Ende der deutsche Steuerzahler aufkommen muss.
Diese Gefahr ist in der Tat groß. Wenn einzelne Euro-Länder wie z. B. Griechenland zahlungsunfähig werden, dann wird es für deutsche Exporteure bzw. deren Versicherer Forderungsausfälle geben. Nicht immer wird hierbei der Steuerzahler direkt in die Pflicht genommen werden. Ganz wesentlich ist auch die Rolle der Europäischen Zentralbank: Über das Target 2 System erhalten Länder der Peripherie Euros gegen Forderungen der Bundesbank an ihre Zentralbanken. Mit diesen Euros werden unter anderem Importe aus Deutschland finanziert. Bei einem Austritt Griechenlands könnte die Bundesbank ihre Forderungen nicht eintreiben; der Steurzahler muss die Bundesbank dann rekapitalisieren.

Kürzlich gab die Bundesrepublik erstmals Staatsanleihen mit zwei Jahren Laufzeit und null Prozent Verzinsung aus. Im Januar kauften Anleger sogar Anleihen mit Minus-Rendite, sprich sie bekamen nach Ende der sechsmonatigen Laufzeit weniger ausbezahlt als sie investiert hatten. Sehen Sie Gefahren für den deutschen Export, wenn Anleger lieber ein Minusgeschäft in Kauf nehmen, bevor sie in andere Länder investieren?
Die deutschen Exporte in die defizitären Länder der Eurozone müssen zurückgehen, denn diese Länder müssen ja ihre Leistungsbilanzdefizite verringern. Ein ganz wichtiger Mechanismus, der dies gewährleistet, liegt auf der Finanzierungseite. Für Leistungsbilanzdefizite benötigen die Länder Kapital aus Überschussländern. Wenn dieser Kapitalstrom versiegt, dann fallen auch die Leistungsbilanzdefizite. Das gilt auch umgekehrt, weil es sich um eine Bilanzidentität handelt. Das heißt, wenn Deutschland weniger in diese Länder exportiert, dann fließt dorthin auch weniger Kapital. Soweit die Theorie. Leider ist es in der Eurozone derzeit aber so, dass die privaten Kapitalflüsse durch staatliche ersetzt werden. Vor allem durch Rettungsgelder und Target 2 Kredite. Dadurch können Defizitländer weiterhin deutsche Exporte finanzieren, was sie auf dem Markt längst nicht mehr könnten. Fazit: Ja, der deutsche Export muss fallen, aber das ist eine notwendige und begrüßenswerte Anpassung.

Die starke Position Deutschlands ruft im Ausland auch Kritik hervor: Einerseits profitierten wir vom wirtschaftlichen Aufschwung in europäischen Nachbarstaaten, weil wir dann mehr dorthin exportieren können, umgekehrt würden wir aber nicht automatisch verstärkt Güter importieren. Das Handelsdefizit der Länder verhindere ein kraftvolles Wachstum der gesamten Euro-Zone. Was entgegnen Sie diesem Einwand?
An diesem Argument ist schon was dran: ein Abbau der Ungleichgewichte in Europa erfordert ein Absinken der deutschen Überschüsse. Genau das wird aber durch die Rettungspakete und Target 2 zurzeit verhindert. Kapitalflüsse in die Nachbarstaaten erfordern saldenmechanisch Nettoexporte. Es wäre wünschenswert, dass in den nächsten Jahren höhere Lohnabschlüsse in Deutschland und Lohnzurückhaltung im Ausland einen Abbau der Ungleichgewichte herbeiführt. Dies zeichnet sich bereits ab und ist begrüßenswert. Das Wachstumsproblem der Nachbarstaaten wird dadurch aber zunächst nicht gelöst, sondern eher verschärft. Daran geht aber kein Weg voran: Teil der Anpassung muss eine Wachstumsasymmetrie zwischen Deutschland und seinen Nachbarn sein. Genau diese gab es im Übrigen zwischen 1997 und 2007, aber mit umgekehrten Vorzeichen!

Wichtigste Exportgüter der deutschen Wirtschaft sind nach wie vor Automobile und Kraftwagenteile. Welche Handelswaren werden nach Ihrer Einschätzung in Zukunft an Bedeutung gewinnen?
Die Struktur der deutschen komparativen Vorteile ist relativ konstant über die Zeit: Maschinen, Fahrzeuge und Komponenten, Präzisionswerkzeuge, chemische Spezialprodukte. In der Zukunft wird sich dies nicht wesentlich ändern. Allerdings wird der Trend zu höherwertigen Gütern weitergehen: Deutschland wird sich gegen Konkurrenz aus Niedriglohnländern nur mit qualitativ hochwertigen und entsprechend teuren Gütern durchsetzen. Ein zweiter Trend betrifft die Tatsache, dass die traditionellen deutschen Exportgüter immer stärker auch Dienstleistungskomponenten beinhalten, z. B. Wartungsverträge, Finanzierung, Software etc.

Nach der diesjährigen Hannover-Messe sagte Siemens-Chef Peter Löscher, China habe den Sprung von „made in China“ zu „invented in China“ geschafft. Auch aus Indien oder Brasilien kommen zunehmend High-Tech-Produkte. Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach erfüllt sein, damit die deutsche Wirtschaft trotz der stärker werdenden Konkurrenz auch in Zukunft eine bedeutende Rolle auf dem Weltmarkt spielen kann?
Peter Löscher hat Recht: Wachstum bedeutet in allen Ländern der Welt, dass der Innovationsprozess schlechte Produkte durch bessere ersetzt. Es ist sehr gut für Deutschland, wenn Vorleistungen und Konsumgüter aus z. B. China qualitativ hochwertiger werden. Allerdings werden diese automatisch auch teurer, denn derselbe Wachstumsprozess führt zu deutlich höheren Löhnen. Eine wichtige Voraussetzung für eine starke Exportwirtschaft in Deutschland liegt in der kompromisslosen Innovationsbereitschaft der Firmen im Speziellen und der Gesellschaft im Allgemeinen. Ich halte es für problematisch, dass Deutschland vielen Zukunftstechnologien eher abwartend oder gar negativ gegenübersteht. Das muss sich ändern.